Proud to be gay? Zur Kritik der Identität

Wann?
Mittwoch, 14.11.2001 18:30

Wo?
EKH, Wielandgasse 2-4, 1100 Wien

Ist schwule Identität etwas, auf das man stolz sein kann - oder sind womöglich die Bekenntnisse, "proud to be gay" und "stolz, ein Österreicher zu sein" gar nicht so weit voneinander entfernt? Der positive Bezug auf die Identität einer Gruppe wurde und wird, auch von Linken, mit ihrer Unterdrückung, ihrem Minderheitenstatus begründet. Der Unterschied zwischen österreichischer und schwuler Identität läge also darin, dass die Österreicher und Österreicherinnen sich nur einbilden, was für die Schwulen tatsächlich gilt: sie werden unterdrückt. Doch das nützt nicht viel, die Folgen sind dieselben. Die zunehmend wahnhaften Züge der Identitätspolitik kommen in beiden Fällen in dem Gefühl zum Ausdruck, man sei Opfer dunkler Machenschaften. Identität ist immer Identifikation und Abgrenzung zugleich. Als notwendiger Bezugspunkt jeglicher Politik erscheint Identität als die Übereinstimmung dessen, was dem Individuum aus irgend einem Grund gegeben ist und dem Einverständnis des Individuums in dies Gegebene. Dieser positive Bezug auf Identitäten führt jedoch nicht zur Emanzipation, sondern zur Verfestigung des schlechten Gangs der Dinge. Aber auch die geforderte Infragestellung und dekonstruktive Überwindung von Identitäten ist fragwürdig. In dem Maße, wie Identität als subjektiv konstruierte wahrgenommen wird, wird der gesellschaftliche Zwang zur Identität ausgeblendet, dessen Erkenntnis die Grundlage der Kritik und der Emanzipation wäre.

Vortrag und Diskussion mit Tjark Kunstreich